Rund 150 Interessierte waren der Einladung der SPD-Bundestagsfraktion ins Lüneburger Hotel Bergström gefolgt, um der Veranstaltung „Integration – Miteinander statt Gegeneinander“ zu folgen oder sich auch einzubringen. Diskussionspartner waren die Bundestagsabgeordneten Aydan Özoguz und Kirsten Lühmann, Gabriel Siller als Geschäftsführer des Diakonieverbandes und Hartwig Erb, Vorsitzender der DGB-Region Nord-Ost-Niedersachsen, sowie Moderator SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzender Franz-Josef Kamp.

Landtagsabgeordnete und SPD-Unterbezirksvorsitzende Andrea Schröder-Ehlers freute sich über die zahlreichen Gäste. Integration sei eine der großen Zukunftsaufgaben, es ginge um Chancengleichheit für alle Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, sagte sie, bevor Aydan Özoguz, Integrationsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, mit ihrem kurzen Referat in das Thema einführte. Sie räumte mit so manchem Vorurteil auf, etwa zu dem vom früheren Bundesinnenminister und neuem Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) geprägten Begriff des „Integrationsverweigerers“: Die Betroffenen sollten an Integrationskursen teilnehmen und Deutsch lernen, aber allein im Februar hätten noch 9.000 auf der Warteliste gestanden, Mitte des Jahres würden es 20.000 sein. „Union und FDP reden über mangelnde Integrationsbereitschaft von Migrantinnen und Migranten – gleichzeitig verschließen sie Türen, statt Wege zu öffnen“, so Özoguz. Der Bundesregierung wirft sie vor, zu wenig Mittel für Integrationskurse bereitzustellen.

Die SPD habe Integrationspolitik immer als Gestaltungsaufgabe in der Mitte der Gesellschaft begriffen. Dabei müsse jede Kommune eine eigene Identifikation definieren, in der Hansestadt beispielsweise das Wir-sind-Lüneburger-Gefühl schaffen – „und dazu gehören eben auch Ali und Fatima“. Das beginne bereits bei der frühkindlichen Bildung, der frühe Besuch einer Krippe habe besonders für Kinder aus Migrantenfamilien einen erheblichen positiven Einfluss auf den späteren Bildungserfolg. „Doch die Union plant ein integrationsfeindliches Betreuungsgeld, das Kinder aus Kitas fernhält“, kritisierte die Bundestagsabgeordnete aus Hamburg. „In diesem Zusammenhang müssen wir überlegen, wo wir sparen und wo wir investieren können. Nach wie vor besteht erheblicher Handlungsbedarf zur Verbesserung der Bildungs- und Ausbildungschancen.“ Ob beim flächendeckenden Ausbau der Schulsozialarbeit, beim bedarfsabhängigen Schüler-BAföG, bei Maßnahmen zur Berufsorientierung oder Nachqualifizierung – überall kürze die Bundesregierung und treffe damit junge Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, lasse Chancen ungenutzt.

Dass es bei diesem Thema um ein soziales Problem gehe und „es überhaupt gar kein Integrationsproblem“ gebe, bestätigte auch das mitdiskutierende Auditorium, allen voran Schulleiterin Dr. Inge Voltmann-Hummes. Zu der Forderung nach mehr Ganztagsschulen in Lüneburg meldete sich auch SPD-Ortsvereinsvorsitzende Hiltrud Lotze zu Wort: „Die Stadt springt immer dort in die Bresche, wo sich Land und Bund der finanziellen Verantwortung entziehen“, so die Vorsitzende des Schulausschusses, „die wahre Integrationsverweigerung findet jedoch bei denen statt, die verhindern, dass sich Kinder Bildung in Kindergärten und Schulen abholen können!“ Eins waren sich alle Diskussionsteilnehmer darin, dass der Sprachkompetenz bei der Schaffung von Integration und Chancengleichheit eine Schlüsselfunktion zukomme. Studien hätten in den letzten Jahren wiederholt gezeigt, so Dr. Muthard Hackbarth vom Netzwerk Leseförderung Lüneburg e.V., dass vor allem fehlende sprachliche Kompetenzen bei Kindern den weiteren Bildungsweg und den Einstieg ins Erwerbsleben erheblich beeinträchtigen, betroffen seien vor allem Kinder aus sozial benachteiligten Familien und mit Migrationshintergrund. Einigkeit unter den Diskutanten bestand auch in der Ansicht, dass die Muttersprache beim Spracherwerb Vorrang haben müsse, da dies nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung von Denken und Lernen beim Kind habe.

Ausführlich erörtert wurde zudem die Anerkennung ausländischer Ausbildungs- und Berufsabschlüsse – hierzu gab es Wortbeiträge einiger betroffener Einwanderer. „Viele qualifizierte Menschen kommen nach Deutschland, gelten hier rechtlich aber als nicht ausgebildet. Die Regelungen dazu sind in den Bundesländern unterschiedlich, Niedersachsen hat eines der härtesten Anerkennungsverfahren für Abschlüsse“, erklärte Aydan Özoguz dazu und schilderte ein Beispiel, wo jemand nun bereits zwölf Monate lang auf die Anerkennung seines Doktortitels warte und der Person geraten wurde, das Bundesland zu wechseln. „Nachdem die Ankündigungen der Bundesregierung in den beiden letzten Jahren immer wieder durch die Realität eingeholt wurden, ist der Gesetzentwurf zu einer bundesweit einheitlichen Regelung mehr als überfällig.“

Zahlreiche Beispiele für gelungene Integrationsarbeit stellte Bundestagsabgeordnete Kirsten Lühmann aus ihrem Heimatort Celle vor, wo vor kurzem der Integrationsausschuss der Stadt seine Tätigkeit aufgenommen hat. Ziel sei es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen etwas Selbstverständliches ist. Dazu gebe es in Celle ein kurdisches Frauennetzwerk, einen türkisch-islamischen Kulturverein oder auch eine Schreibwerkstatt der Landfrauen. „Bei meinem Besuch in einem Integrationskurs habe ich Menschen erlebt, die unheimlich engagiert sind und lernen wollen“, berichtete Lühmann, die unter anderem Mitglied im Ausschuss für Innenpolitik ist. „Aber nicht alle, die lernen wollen, können lernen, weil bestimmte Menschen diese Kurse als Pflicht belegen müssen. Andererseits sind da Migranten, die schon lange hier leben und für die solche Kurse genauso wichtig wären, die sind teilweise schon zwölf bis fünfzehn Jahre hier und können kein Deutsch. Auf die müssen wir noch mehr zugehen und ihnen Angebote machen“, forderte die Abgeordnete.

DGB-Regionalvorsitzender Hartwig Erb sieht eine Stigmatisierung von Menschen mit Migrationshintergrund gerade auch dann, wenn sie überproportional viel in prekären Arbeitsverhältnissen oder gar in völliger Rechtlosigkeit ohne Arbeitserlaubnis tätig sind. Ganze Wirtschaftszweige würden von den Arbeitskräften ohne Papiere getragen werden. „Hier müssen wir das Gesamtbild wieder in Ordnung bringen – denn alle Menschen sollen an der Wirtschaft partizipieren, ohne dass dabei ausgegrenzt wird“, erklärte der Gewerkschaftler. „Die große Mehrheit der Migranten hat ein hohes Interesse, sich bei uns zu integrieren und gute Perspektiven für sich zu entwickeln“, bekräftigte Gabriel Siller aus Sicht des Diakonieverbandes, „aber die Politik muss dazu die Rahmenbedingungen schaffen und Ressourcen bereitstellen!“

– Marco Sievers –

Andrea Schröder-Ehlers, Franz-Josef Kamp, Aydan Özoguz, Gabriel Siller, Kirsten Lühmann und Hartwig Erb – Foto: Marco Sievers
Diskutierten zum Thema Integration (v.l.): Landtagsabgeordnete und SPD-Unterbezirksvorsitzende Andrea Schröder-Ehlers, SPD-Fraktionschef Franz-Josef Kamp, Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz, Diakonieverbands-Geschäftsführer Gabriel Siller, Bundestagsabgeordnete Kirsten Lühmann und DGB-Regionalvorsitzender Hartwig Erb – Foto: Marco Sievers.

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